In England wären wir von York nach London gefahren. Da wir aber in New England sind, haben wir uns für die Route von New York nach New London entschieden. Schon auf dem Weg aus der Stadt raus fiel mir auf, dass Lutz viel entspannter war als noch vor drei Tagen auf dem Weg stadteinwärts. Die Stadt färbt irgendwie auf jeden etwas ab. Ich habe es an meinem Fahrstil gemerkt. Die Hupe verschaffte sich jetzt auch das ein oder andere mal bei mir Gehör. Ich habe mich über die ein oder anderen Schleicher aufgeregt und das Reißverschlusssystem komplett ignoriert.
Da sich das Verkehrschaos an diesem Vormittag in Grenzen hielt, sind wir recht gut aus New York rausgekommen. Endlich wieder auf schmaleren Straßen mit weniger Autos unterwegs ließ es sich recht entspannt fahren. Nur ab und an merkte ich noch, wie ich mich innerlich ein wenig über den ein oder anderen Fahrer aufgeregt habe. Das legte sich aber immer mehr, je näher wir New London kamen.
Am nächsten Tag ist Lutz wieder gefahren. Es ging nach Newport in Rhode Island. Das ist der kleinste Staat der USA. Hier hat man auch gemerkt, dass die Hauptsaison schon etwas vorbei ist. Das ein oder andere Geschäft hatte schon gar nicht mehr geöffnet, und die Leute auf den Straßen waren auch recht übersichtlich. Das kann aber auch daran gelegen haben, dass sich das Wetter immer weiter verschlechterte und es langsam feucht von oben runtergekommen ist. Wir haben uns daraufhin ins Auto gesetzt und sind weiter ins Motel nach Providence gefahren. Statt nachzulassen hat sich der da oben gedacht, dass er noch mehr Schleusen öffnen sollte. So haben wir den Nachmittag einfach mal zum Ausspannen genutzt. Abends hat es aber doch noch ein wenig unterm Hintern gejuckt, so dass wir, wenigstens um etwas zu essen, in die Stadt gefahren sind.
Auf dem Weg nach Boston am nächsten Tag wurde das Wetter immer besser. Im Motel angekommen war da wieder dieses Phänomen der Kissenverteilung. Jedesmal in den letzten beiden Wochen lagen komischerweise auf meinem Bett immer die meisten Kissen. Und wenn ich Lutz wenigstens eins aufdrücken wollte, lehnte er grinsend ab. Ich werde da irgendwie noch hinter kommen.
Dann ging es mit den Öffentlichen in die Stadt. Schließlich kann man bei 25 Grad nicht im Motel bleiben. Die erste Anlaufstelle war auch gleich Harvard gewesen. Auf dem Campus war eine Menge los. Aber auch innerhalb der Klassenräume waren die Studenten ordentlich am Lernen. Wir hatten auch kurz überlegt, uns mit in eine Vorlesung zu setzen. Haben es aber sein lassen und uns mit einem kleinen Abstecher auf dem Campus des MITs in Richtung Bostoner Innenstadt begeben. Von dort ging es wieder in Richtung Hotel, wo wir an dem ersten Abend in der Nähe noch etwas Bowling gespielt haben. Da irgendwie überall in den Staaten Sportveranstaltungen live übertragen werden, konnte man dort nebenbei die Konferenzschaltung der NFL-Spiele sehen. Wir schmiedeten schon den Plan, was wir am nächsten Tag noch alles vor dem Spiel der New England Patriots gegen die Miami Dolphins machen wollen. Als ich mal wieder so nebenbei die Übertragung verfolgte, sah ich auf einmal ein Spiel von Miami gegen New England. Lutz meinte, dass es wohl in Miami sei, da die an erster Stelle genannt wurden. Doch ich war da etwas skeptisch und suchte die Bestätigungsmail zu unseren Tickets heraus. Als ich das Datum dort mit dem auf meinem Smartphone verglich, ist das eingetreten, was ich vermutet hatte, aber noch nicht ganz glauben wollte: Das war das Spiel, von dem Lutz und ich felsenfest der Meinung waren, dass es erst am nächsten Abend stattfinden sollte. Da es schon die letzten Minuten des vierten Viertels waren, machte es definitiv keinen Sinn mehr, dorthin zu fahren.
Mit dieser Info ließen sich die letzten Kugeln nicht mehr allzu motiviert werfen. Aber es war nun mal passiert und ließ sich auch nicht mehr ändern. So konnten wir uns am nächsten Tag für den Freedom Trail wenigstens alle Zeit der Welt lassen. Dieser zeigt ein wenig die Gründungsgeschichte der USA auf.
Aufgrund unseres verpeilten Spiels haben wir uns für den letzten Tag Tickets fürs Whalewatching besorgt. Das passte zeitlich am letzten Tag noch wunderbar rein. Schließlich konnten wir aufgrund des Wetters am Anfang unseres Trips eine solche Tour leider nicht machen.
Nachdem wir in unsere Rucksäcke alles wieder reinbekommen haben, was in den letzten Tagen verstreut irgendwo im Auto rumgeflogen ist, machten wir uns mit der Bahn auf zum Hafen. Man merkte, dass Halloween war, da schon am Vormittag die Leute in den verschiedensten Kostümen umherliefen.
Selbst die Crew auf dem Boot hatte sich ein wenig in passende Outfits geschmissen. Wie es sich für einen Kapitän gehört, hat dieser einen auf Pirat gemacht. Nun ging es ungefähr 80 Kilometer raus aufs Wasser, wo wir jede Menge Wale sehen konnten. Einer von denen ist nur fünf Meter von unserem Boot entfernt aufgetaucht. So schnell, wie er gekommen ist, war er auch weg. Aber nicht ohne uns seine riesige Schwanzflosse zu zeigen. Das sah schon spektakulär aus.
Nach knapp vier Stunden sind wir wieder in den Hafen eingelaufen. Jetzt hieß es für uns Abschied nehmen. Wir holten unser Auto ab und fuhren damit auf dem Weg zur Autovermietung am Flughafen das letzte Mal durch die Häuserschluchten von Boston.
Hier endet der Trip. In den vergangenen zwei Wochen haben wir 2.300 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Und wenn wir mal Lutz‘ Füßen glauben wollen, dann mindestens dasselbe noch einmal zu Fuß.
Das gibt mir jetzt etwas zu denken. Sollten wir nicht zu viel Zeit mit dir verbringen, weil dann deine Vergesslichkeit auf uns überspringt?
Halloween war toll. Endlich musste man sich mal einen Tag nicht verkleiden 🙂