Das Erlebnis auf Noosa North Shore bot einen guten Vorgeschmack auf den nächsten Tag: Von Hervey Bay aus setzten wir nach Fraser Island und damit auf die größte Sandinsel der Welt über. Dort fährt man ausschließlich auf Sand und Buckelpisten umher, sofern man nicht gerade feststeckt oder ein Rad wechselt.
Vorher mussten wir noch das Auto tauschen – auf Fraser Island darf nicht jeder rauf. Wir hatten uns für die drei Tage einen dickbereiften Landrover gemietet, unter dem ein handelsübliches Kleinkind bequem hätte durchspazieren können. Das bedeutete genügend Bodenfreiheit für die Inselwege, die vermutlich in dieser Form weltweit einzigartig sind und in Deutschland selbst dem hartgesottensten Traktorfahrer den kalten Schweiß auf die Stirn treiben würden.
Andere waren nicht so schlau: So wurden wir Zeuge, wie ein kleiner Toyota RAV4 mit vergleichsweise niedlichen Reifen in der Autokarawane vor uns mehrmals im Sand den Dienst verweigerte, verfolgt von einem fluchenden Tourenbus-Fahrer mit etwa 30 sensationslüsternen Fahrgästen. Selbige kletterten bei jedem unfreiwilligen Stopp des Toyotas aus dem Bus und verfolgten fachmännisch kommentierend, wie der verschwitzte Busfahrer auf dem engen Waldweg Pannenhilfe leistete.
Okay, ein gutes Auto hatten wir zwar, waren aber zugegebenermaßen anderweitig schlecht vorbereitet: Wir hatten die Zeltheringe auf dem Festland vergessen. Aushilfsweise mussten einige morsche Äste unser Zelt am Boden halten, wobei eine solche Installation auf losem Sand und bei Dauersturm durchaus preisverdächtig ist, wenn sie wie in unserem Fall eine Nacht gerade so übersteht. Profi-Camper eben.
Fraser Island selbst ist ein beeindruckender Ort. Vom Fahrspaß abgesehen – für 20 Kilometer benötigt man schon mal gut 90 Minuten – wird auch landschaftlich was geboten, zum Beispiel Regenwald, Sandwüsten, verlassene Seen mit glasklarem Wasser und weißen Stränden, erstaunliche Sandsteinformationen und vieles mehr. Die Dingos, die es reinrassig nur noch auf Fraser Island gibt, weil sie sich anderswo gern mit Haushunden abgeben, sind leider relativ scheu: Wir bekamen die Wildhunde nur zweimal zu Gesicht.
Nach den drei Inseltagen legten wir dann erstmal zwei Fahrtage in Richtung Norden ein, schließlich hatten wir nach der ersten unserer drei Urlaubswochen gerade mal rund ein Siebtel der Gesamtstrecke geschafft. Zumindest bei mir dauerte der Gewöhnungsprozess an den Linksverkehr weiterhin an: Noch immer langweilte sich der Blinker, dafür waren unsere Scheibenwischerblätter mittlerweile fast verschlissen.
Unsere Übernachtungspause auf dem Weg von Hervey Bay nach Mackay legten wir in Rockhampton ein, der ehemaligen Rinderzucht-Hochburg an der Ostküste. Allen Australienreisenden nach uns sei an dieser Stelle dringend geraten: Glaubt euren Reiseführern kein Wort und meidet diese Stadt! Es sei denn, ihr seid Filmschaffende auf der Suche nach einer tristen Kulisse für einen Apokalypsefilm. Geboten wurden leere Bars, verlassene Geschäfte, menschenleere Straßen – und die wenigen der angeblich 64.000 Einwohner, die uns entgegengeschlurft kamen, hätten für eine Statistenrolle im Zombiefilm nicht einmal in die Maske gemusst. Nach einer Nacht auf dem Parkplatz des verwilderten und natürlich dauerhaft geschlossenen Botanischen Gartens fuhren wir schnellstmöglich mit quietschenden Reifen davon.
Wesentlich einladender präsentierte sich am Ende des zweiten Fahrtages Mackay. Hier tanzten die Leute zu kubanischer Musik auf dem Fußweg, und auch sonst herrschte allerorten bei schönstem Wetter gute Laune. Für die Übernachtung suchten wir uns schon am Nachmittag eine Picnic Area am Strand, der aber wegen des ausdauernden Windes nicht von Badegästen heimgesucht war. Man soll ja wegen der Quallen nur an sicheren Stellen ins Meer springen, und so befragten wir drei herumlungernde Rettungsschwimmer bezüglich der Gefahrenlage. Momentan sei das Baden hier absolut sicher, ließ uns der älteste der drei Lifeguards wissen. Weil gerade nichts zu tun war, zog er uns sogleich in den Aufenthaltsraum der Rettungsschwimmer, wo er allerlei Meeresgetier in Alkohol konserviert hatte, darunter verschiedenste Quallenarten, Seeschlangen und weitere giftige Schaustücke. Aufgrund unseres Hausfrauen-Englisch verstanden wir glücklicherweise nur die Hälfte der Erklärungen, aber die theaterreife Mimik und Gestik des netten älteren Herrn sprachen für sich selbst. Die für uns verständlichen Satzfragmente wie „at least one weak in hospital“ und „scream in pain“ ließen uns zweifeln, ob das Baden an dieser Stelle wirklich ratsam sei, und während wir uns noch fragend anschauten, hatte der eifrige Quallenfreund bereits eine Schautafel hervorgezaubert, auf der in höchster Auflösung verschiedene Wunden und Verletzungen nach Quallenkontakt abgebildet waren. „Aber im Moment ist es wirklich sicher“, rief er uns noch hinterher, während wir uns schnellstmöglich vom Strand zurückzogen. Wir begnügten uns dann mit einer Katzenwäsche im öffentlichen WC.
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