Mit dem Zug ging es langsam aus Melbourne in Richtung Norden. Vorbei an Feldern, Bäumen und mitten drin mal ein einsames Haus. So sieht es also etwas weiter im Landesinneren aus. Nach zwei Stunden Zug ging es mit dem Bus weiter nach Kyabram, wo es die nächsten Wochen Birnen pflücken hieß.
Irgendwann auch auf der Farm mitten im Nirgendwo angekommen, wurden Pieter und ich auch gleich von Michael, Johanna und Steffi begrüßt. Die drei waren die, die es von denen vor uns noch mit am längsten ausgehalten haben. Nach einigen wichtigen Infos von Michael waren wir auch gleich wieder etwas besser drauf. Denn schließlich wussten wir jetzt, dass sich zwei der giftigsten Spinnenarten der Welt hier irgendwo in der Küche, unter der Klobrille oder auch neben dem Bett aufhalten können. Aber wir sollten uns keine Sorgen machen, denn sowohl die Trichternetzspinne als auch die Redback haben mehr Angst vor uns, als wir vor ihnen. So lässt es sich doch gleich viel besser Nachts aufs Klo gehen.
Nach einem Tag Schonfrist ging es endlich bei 42 Grad im Schatten ans Sizepicking. Dort bekommt man so einen schönen Metallring. Die Birnen, die durch den Ring passen, haben gefälligst am Baum zu bleiben, alle anderen dürfen in deine Tasche wandern. Und wenn diese irgendwann gut voll ist, wird sie im Bin entleert. Das ganze macht man gefühlte einhundert mal. Denn schließlich passen in einen Bin ungefähr 450 bis 500 Kilo rein.
Am ersten Tag haben wir auch „nur“ etwas über fünf Stunden gebraucht um einen dieser Bins voll zu bekommen. Wenn das so weiter geht, na dann gute Nacht. Aber beim Sizepicking blieb es auch nur die erste Woche. Und am Ende waren wir schon so gut geworden, dass zwei Bins in sieben Stunden kein Problem darstellten.
Als es zum non-sizepicking ging, waren vier bis fünf Bins pro Tag kein Problem mehr, wenn man sich gut angestrengt hat. Denn schließlich durfte jetzt jede Birne am Baum durch meine Hände in den Bin wandern. Und zusammen mit Pieter und Michael hat das ganze auch noch richtig Spaß gemacht, auch wenn man sich jeden Morgen wieder aufs neue motivieren musste.
Nach zwei Wochen hat sich Pieter von uns verabschiedet, da er noch etwas durch Australien reisen wollte, bevor es für ihn nach Neuseeland ging. Aber zusammen mit Michael wurden die nächsten zwei Wochen auf dem Feld nicht langweilig. Denn ab und zu fällt einem auch mal eine Birne beim Pflücken aus den Händen und landet ganz unabsichtlich in der Krone des Baumes, in dem der andere gerade ist. Das wurde mir auch gleich mit einer verrotteten Birne an meinem Arsch gedankt. Naja, da ich das nicht auf mir sitzen lassen wollte, haben wir uns gegenseitig eine halbe Stunde mit verrotteten Birnen übers Feld gejagt. Am Ende haben wir in unseren dreckigen Klamotten die Schlacht für unentschieden erklärt, denn schließlich wollten wir beiden nur noch unseren angefangenen Bin fertig machen und nichts wie ab unter die Dusche.
Wo wir auch schon beim nächsten Thema wären. Das Wasser, was wir auf der Farm für die alltäglichen Dinge hatten, war auf den ersten Blick eigentlich ganz ok. Doch wenn es sich gesammelt hatte, sah man ganz deutlich die braune Brühe. Beim Blick ins Klo hatte man daher immer den Eindruck, dass der letzte nie gespült hätte. Dieses Wasser, welches wir auch zum Abwaschen, Duschen oder für die Waschmaschine benutzt haben, wurde auch zum bewässern der Felder verwendet und kam ganz einfach aus dem Fluss. Fürs Kochen und Trinken gab es zum Glück einen riesigen Tank mit Trinkwasser, welcher sich durch den ein oder anderen Regenschauer von selbst wieder aufgefüllt hat. Und so ein Regenschauer war ganz gut, denn da hieß es am nächsten Tag wenigstens: ausschlafen.
An solch einem freien Tag hatten wir auch mal Zeit den frisch reparierten Gasherd zu benutzen. Wir haben uns alle daran probiert ihn irgendwie anzubekommen. Das Gas kam von ganz hinten unten und der integrierte Zündfunke war ganz vorne oben. Beides wurde mit nur einem Knopf zeitgleich aktiviert. Doch es klappte scheinbar nicht. Ich habe mich aber einfach mal davor gesetzt, den Knopf auf 160 Grad gedreht, gedrückt gehalten und gewartet. Irgendwann muss das Teil ja mal angehen. Schließlich ist der gerade erst frisch wieder in Betrieb genommen worden. Doch nichts dergleichen war der Fall. Die Ofenklappe ist nach einer Minute direkt vor mir mit einem lauten Knall und einer kurzen und warmen Stichflamme aufgesprungen. Bis auf ein paar angekockelte Haare ist mir nichts weiter passiert.
Das war aber nicht das schlimmste. Denn egal wo man war, es haben einen immer eine Menge Fliegen zusammen mit ein paar Mücken begleitet. Und diese versuchten in sämtliche Öffnungen deines Gesichtes zu landen. Du konntest mit den Armen noch so viel herum wedeln. Es hat alles nichts geholfen. Am Ende hast du eher ein wenig bescheuert ausgesehen. Diese fliegenden Teile haben mich am meisten genervt. Und ich bin auch nicht traurig darüber, dass ich mich von ihnen verabschieden musste.
Ansonsten waren die vier Wochen auf der Farm eine richtig schöne Zeit. Zusammen mit den ungefähr 15 bis 20 anderen Backpackern wurde es nie langweilig. Zwar war die „Stadt“ (Kyabram hat knapp 7000 Einwohner) zu Fuß eine dreivierel Stunde entfernt, doch es haben sich immer welche gefunden, die auch mal dort hin wollten. Somit war der Weg also auch immer recht kurzweilig.
Nach über 23 gepflückten Tonnen Birnen und vollkommen zerkratzten Armen, die ausschauen, als hätte sich ein unwissender an Selbstmord versucht, ging es für mich jetzt auch zurück nach Melbourne, wo mich wieder sicherlich eine Menge erzählenswertes erwartet.
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